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  • Apr 10, 2025
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ADHS bei Erwachsenen

Die Vorstellung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist oft mit dem Bild unruhiger, unkonzentrierter Kinder verbunden. Es ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum, dass ADHS eine reine „Kinderkrankheit“ sei. Tatsächlich persistiert die Störung häufig bis ins Erwachsenenalter, auch wenn sich die Symptomatik im Laufe der Entwicklung verändern kann. Für viele Erwachsene bleiben die Kernsymptome eine erhebliche Herausforderung im Alltag, doch da sie oft subtiler erscheinen als im Kindesalter, wird die Störung nicht selten erst spät oder gar nicht erkannt.

ADHS-Diagnose bei Erwachsenen: Symptome erkennen und Wege zur Behandlung

Die Vorstellung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist oft mit dem Bild unruhiger, unkonzentrierter Kinder verbunden. Es ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum, dass ADHS eine reine „Kinderkrankheit“ sei. Tatsächlich persistiert die Störung häufig bis ins Erwachsenenalter, auch wenn sich die Symptomatik im Laufe der Entwicklung verändern kann. Für viele Erwachsene bleiben die Kernsymptome eine erhebliche Herausforderung im Alltag, doch da sie oft subtiler erscheinen als im Kindesalter, wird die Störung nicht selten erst spät oder gar nicht erkannt.

ADHS: Eine Störung mit Wurzeln in der Kindheit

Eine grundlegende Voraussetzung für die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter ist der Nachweis, dass die Symptome bereits vor dem 12. Lebensjahr bestanden haben. ADHS entwickelt sich nicht erst im Erwachsenenleben, sondern ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die Betroffene von Kindheit an begleitet – auch wenn sie damals möglicherweise nicht diagnostiziert wurde.

Viele Erwachsene, bei denen heute eine ADHS festgestellt wird, erinnern sich an Schwierigkeiten in ihrer Kindheit: Probleme, sich zu konzentrieren, impulsives Handeln, emotionale Ausbrüche oder eine ausgeprägte innere oder äußere Unruhe. Diese Verhaltensweisen wurden jedoch nicht immer korrekt als Symptome einer ADHS eingeordnet, sondern fälschlicherweise als mangelnde Disziplin, Träumerei oder Faulheit interpretiert. Erst im Erwachsenenalter, wenn die Anforderungen in Beruf, Partnerschaft und Alltagsorganisation steigen, wird vielen Betroffenen das Ausmaß ihrer Schwierigkeiten im Vergleich zu Gleichaltrigen bewusst – etwa bei der Selbstorganisation, der Aufrechterhaltung von Konzentration oder der Regulation von Impulsen.

Wer den Verdacht hegt, selbst von ADHS betroffen zu sein, sollte daher nicht zögern, professionelle Hilfe zu suchen. Eine fundierte Diagnose schafft nicht nur Klarheit und Verständnis für die eigenen Schwierigkeiten, sondern ist auch der erste Schritt zu gezielter Unterstützung und der Entwicklung wirksamer Bewältigungsstrategien.

Die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose im Erwachsenenalter

Bleibt ADHS im Erwachsenenalter unerkannt und unbehandelt, kann dies zu erheblichen Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen führen. Viele Betroffene kämpfen mit:

  • Beruflichen Schwierigkeiten: Probleme bei der Organisation von Aufgaben, Einhalten von Fristen, Aufrechterhaltung der Konzentration bei Routineaufgaben, was zu Leistungsproblemen oder häufigen Jobwechseln führen kann.
  • Zwischenmenschlichen Konflikten: Impulsivität in Gesprächen, emotionale Überreaktionen oder Schwierigkeiten, Verpflichtungen nachzukommen, können Beziehungen belasten.
  • Geringem Selbstwertgefühl: Das wiederholte Erleben von Misserfolgen trotz Anstrengung und das Gefühl, “anders” oder “nicht gut genug” zu sein, können das Selbstbild nachhaltig negativ prägen.
  • Erhöhtem Risiko für Komorbiditäten: Unbehandelte ADHS geht häufig mit anderen psychischen Erkrankungen einher, wie Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen.

Ein wesentlicher Aspekt ist jedoch: ADHS ist auch im Erwachsenenalter gut behandelbar. Mit einer passenden Therapie und Unterstützung können die Symptome signifikant reduziert und die Funktionsfähigkeit sowie die Lebensqualität deutlich verbessert werden.

Der diagnostische Prozess: Wie wird ADHS bei Erwachsenen festgestellt?

Die Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter erfordert eine sorgfältige und umfassende Untersuchung durch erfahrene Fachleute.

1. Die Wahl der richtigen Anlaufstelle

Spezialisierte Expertise ist wichtig. Geeignete Ansprechpartner sind:

  • Psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten mit Erfahrung in der ADHS-Diagnostik bei Erwachsenen.
  • Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie.
  • Fachärzte für Neurologie oder Psychosomatische Medizin mit entsprechender Zusatzqualifikation.
  • Spezialisierte ADHS-Ambulanzen für Erwachsene an Kliniken.

2. Diagnostische Kriterien und Untersuchungsschritte

Die Diagnosestellung orientiert sich an international anerkannten Kriterien (wie DSM-5 oder ICD) und umfasst typischerweise mehrere Schritte:

  • Detaillierte Anamnese der aktuellen Symptomatik: Der Untersucher erfragt systematisch das Vorliegen und die Ausprägung von Kernsymptomen wie Unaufmerksamkeit (z.B. leichte Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, Organisationsprobleme), Hyperaktivität (z.B. innere Unruhe, Zappeln, Unfähigkeit stillzusitzen) und Impulsivität (z.B. vorschnelles Handeln, Unterbrechen anderer, geringe Frustrationstoleranz). Entscheidend ist, ob diese Symptome zu deutlichen Beeinträchtigungen in mindestens zwei Lebensbereichen (z.B. Beruf, Partnerschaft, Freizeit) führen.
  • Retrospektive Erfassung der Kindheitssymptome: Da ADHS per Definition in der Kindheit beginnt, ist die Erhebung der Symptomatik vor dem 12. Lebensjahr unerlässlich. Hierbei können standardisierte Fragebögen (z.B. Wender-Utah-Rating-Scale, WURS-K) sowie Berichte von Angehörigen (Eltern, Partner) oder alte Schulzeugnisse hilfreich sein.
  • Einsatz standardisierter Fragebögen und Skalen: Zur Objektivierung der aktuellen Symptomatik werden oft Selbst- und Fremdbeurteilungsbögen verwendet (z.B. ADHS-Selbstbeurteilungsbogen ADHS-SB, Conners Adult ADHD Rating Scales CAARS).
  • Zeitliche Kriterien: Die Symptome müssen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bestehen und bereits in der Kindheit nachweisbar gewesen sein.
  • Differentialdiagnostik: Ein zentraler Schritt ist der Ausschluss anderer psychischer oder körperlicher Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören insbesondere affektive Störungen (Depression, Bipolare Störung), Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen (v.a. Borderline-Typ), Suchterkrankungen, aber auch Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Schlafapnoe. Häufig liegen auch komorbide Störungen vor, die ebenfalls diagnostiziert und berücksichtigt werden müssen.

3. Herausforderungen der Diagnostik bei Erwachsenen

Die Diagnosestellung bei Erwachsenen kann komplexer sein als bei Kindern:

  • Veränderte Symptomatik: Die offensichtliche motorische Hyperaktivität nimmt oft ab und wandelt sich in eine innere Unruhe, Nervosität oder Getriebenheit. Unaufmerksamkeit und Impulsivität bleiben meist bestehen, können aber durch über Jahre entwickelte Kompensationsstrategien teilweise verdeckt sein.
  • Fehlende Kindheitsdiagnose: Ohne eine Diagnose in der Kindheit ist die retrospektive Erfassung der Symptome auf Erinnerungen und externe Berichte angewiesen, was die Beurteilung erschweren kann.
  • Komorbiditäten: Das häufige gemeinsame Auftreten mit anderen psychischen Störungen erfordert eine sorgfältige Abgrenzung und Priorisierung in der Behandlung.

Therapiemöglichkeiten: Was hilft bei ADHS im Erwachsenenalter?

Die Behandlung von ADHS bei Erwachsenen basiert auf einem multimodalen Ansatz, der individuell angepasst wird und in der Regel Psychoedukation, Psychotherapie und gegebenenfalls Medikation umfasst.

1. Psychotherapie: Verhaltenstherapie und Coaching

Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) gilt als Methode der Wahl. Sie zielt darauf ab, Betroffenen konkrete Strategien zur Bewältigung ihrer Symptome im Alltag zu vermitteln:

  • Verbesserung der Selbstorganisation: Erlernen von Zeitmanagement-Techniken, Planungsstrategien, Umgang mit Aufschiebeverhalten (Prokrastination).
  • Training der Aufmerksamkeit: Strategien zur Verbesserung der Konzentration und Reduzierung der Ablenkbarkeit.
  • Impulskontrolle und Emotionsregulation: Erlernen von Techniken zum Umgang mit impulsiven Reaktionen, Frustration und emotionalen Schwankungen.
  • Soziale Kompetenzen: Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten und des Umgangs mit Konflikten.

Ein spezialisiertes ADHS-Coaching kann ergänzend sehr hilfreich sein, um individuelle Alltagsstrukturen zu etablieren und erlernte Strategien praktisch umzusetzen.

2. Medikamentöse Behandlung

Für viele Erwachsene mit ADHS stellt eine medikamentöse Therapie eine wirksame Option zur Symptomreduktion dar, insbesondere wenn die Beeinträchtigungen stark ausgeprägt sind.

  • Stimulanzien: Medikamente wie Methylphenidat oder Lisdexamfetamin/Dexamphetamin sind Mittel der ersten Wahl. Sie wirken auf die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im Gehirn und können Aufmerksamkeit, Konzentration und Impulskontrolle verbessern.
  • Nicht-Stimulanzien: Atomoxetin oder Guanfacin können Alternativen sein, wenn Stimulanzien nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.

Die Entscheidung für oder gegen eine Medikation sowie die Auswahl und Einstellung des Präparats erfolgen stets individuell durch einen erfahrenen Facharzt nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken.

3. Ergänzende Maßnahmen: Entspannung und Lebensstil

Da Stress und innere Unruhe häufige Begleiter von ADHS sind, können unterstützende Maßnahmen hilfreich sein:

  • Entspannungstechniken: Verfahren wie Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) können helfen, Anspannung abzubauen.
  • Bewegung: Regelmäßiger Sport kann sich positiv auf Stimmung, Konzentration und Impulskontrolle auswirken.
  • Struktur und Routinen: Ein geregelter Tagesablauf und feste Routinen (insbesondere Schlafenszeiten) können stabilisierend wirken.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung unterstützt das allgemeine Wohlbefinden.

Fazit: Diagnose als Chance zur Veränderung

ADHS im Erwachsenenalter ist weit mehr als eine Konzentrationsschwäche; es ist eine komplexe neurobiologische Störung, die viele Lebensbereiche beeinflussen kann. Eine rechtzeitige und präzise Diagnose ist oft der erste Schritt zu einem besseren Selbstverständnis und kann eine enorme Erleichterung darstellen. Sie ermöglicht den Zugang zu wirksamen Behandlungsstrategien.

Mit einer individuell abgestimmten Therapie, die psychotherapeutische Unterstützung, gegebenenfalls Medikation und Anpassungen im Lebensstil umfasst, können Erwachsene mit ADHS lernen, ihre Herausforderungen zu meistern, ihre Stärken zu nutzen und eine deutlich verbesserte Lebensqualität zu erreichen. Der Weg zur Diagnose und Behandlung erfordert Mut, doch er eröffnet die Möglichkeit, das eigene Potenzial besser zu entfalten und den Alltag erfolgreicher zu gestalten.